Wer die Alpen auf dem E5 überquert und am Abend auf der Braunschweiger Hütte die Ohren spitzt, wird diese Frage mindestens an jedem zweiten Tisch hören: „Wo geht Ihr morgen lang? Rettenbachjoch oder Pitztaler Jöchl?“ Die Antwort auf die Frage hängt von einigen Faktoren ab, über die sich aber wohl die wenigsten bewusst sind. Damit Du den Durchblick hast, kommt hier unsere Entscheidungshilfe…
Pitztaler oder Rettebach, das ist hier die Frage
Grundsätzlich sind beide Wege reizvoll. Vor einigen Jahren war der über das Rettenbachjoch wegen hoher Steinschlaggefahr gesperrt und nur das Pitztaler Jöchl begehbar. Dem ist aber nicht mehr so. Auch, dass das Pitztaler Jöchl die schwierigere Variante ist, wie es in manchen Wanderführern noch steht, ist nicht an jedem Tag gültig. Grundsätzlich ist der wichtigste Tipp, wenn Du nicht mit einer geführten Tour auf Deiner Alpenüberqerung auf dem E5 unterwegs bist: Erkundige Dich beim Team der Braunschweiger Hütte nach den aktuellen Bedingungen. Darauf basierend kannst Du Deine Entscheidung treffen.
Auf dem Hintern hinab
Bei optimalen Bedingungen – sprich geschlossener Schneedecke, nicht vereist – mag ich den Weg über das Rettenbachjoch lieber. Der Weg hinauf ist zwar schmal und ausgesetzt, an den kniffligen Stellen aber mit Drahtseilen gesichert. Hinunter zum Parkplatz, Taxistand und Bushaltestelle geht es an solchen Tagen ganz bequem mit Regenhose auf dem Hintern rutschend, oder auf den Füßen abfahrend. Eine riesige Gaudi! Gerade in heißen Sommern oder am Ende der Saison hat sich der Schnee allerdings komplett verzogen und Du stehst vor Blankeis. Wer dann nicht mindestens gute Grödel dabei hat, für den wird die Passage schnell unüberwindbar. Bei den Verhältnissen bist Du also am Pitztaler Jöchl besser aufgehoben.
Hält der, oder hält der nicht?
Am Pitztaler Jöchl erwartet Dich ein felsigeres Gelände, sowohl im Auf-, als auch im Abstieg. Viele Passagen sind mit Sicherungen versehen. Wenn (noch) Schnee liegt und Du ggf. keien Markierungen mehr erkennen kannst, ist hier Vorsicht geboten. Sei Dir bewusst, dass der Untergrund ins Rutschen kommen kann, wenn Du Dich im Geröll bewegst.
Traurige Zeugen der Klimakrise
Es gibt einen Aspekt, der auf dem Weg über das Rettenbachjoch noch präsenter ist: die Klimakrise. Beim Übergang ins Ötztal wirst Du konstant mit ihren Folgen konfrontiert. Du wanderst hinein ins Skigebiet von Sölden, siehst die riesigen Schneekanonen, Wasserspeicher, Planen, die traurige Gletscherreste abdecken und vor dem weiteren Abschmelzen bewahren sollen. Nicht schön! Aber Teil unserer Realität und vielleicht ein Bild, das auch Dich zum Nachdenken und Handeln anregt.
Fotocredit: Christoph Jorda