Sie ist eine echte Angeberin, die Braunschweiger Hütte. Wie eine Diva thront sie ganz weit oben, auf 2759 Metern. Bis man endlich durch ihre Eingangstür geht, haben die E5-Läufer einen anstrengenden Aufstieg, zuletzt durch schier niemals enden wollendes Blockgelände hinter sich. Und dann steht da diese Hütte, in dieser unverschämt spektakulären Umgebung…
Hektischer Alltag
Ich war jetzt schon so oft dort oben, aber der WOW-Effekt hört wohl niemals auf. Von der Hüttenterrasse schweift der Blick bis zur Wildspitze (3772 m) und zu den anderen weißen Riesen des Ötztals. Ziemlich klein fühlt man sich in Mitten dieser Berge. Seit 1892 bietet die Braunschweiger Hütte Wanderern und Bergsteigern Schutz. Für viele E5-Wanderer ist die Hütte schon deshalb ein Highlight, weil es der höchste Schlafplatz ihrer Tour ist (es sei denn, sie nächtigen auf der Similiaun-Hütte). Melanie und Stefan Neurauter, die Wirte der Hütte, werkeln in zweiter Generation hier oben. Melanie war gerade zweieinhalb, als sie zum ersten Mal in die holzgetäfelte Stube kam. Ihre Eltern hatten die Hütte gepachtet. „Ich hatte eine herrlich freie und unbeschwerte Kindheit hier oben“, sagt sie. Heute bleibt wenig Zeit für Müßiggang. Neue Gäste müssen begrüßt und eingewiesen werden, auf der Terrasse oder in der urigen Stube bedient werden, das Haus muss in Schuss gehalten, die Seilbahn gepflegt werden. Es gibt immer was etwas zu tun!
Köstliche Starkmacher
Ziemlich erschöpft sehen viele der Gäste aus, wenn sie die Rucksäcke endlich abgelegt, die Schuhe verstaut haben und auf die Bänke der Terrasse sinken. Ich empfehle dann immer den flufüigen Kaiserschmarren oder eins von den riesigen Kuchenstücken. Die bringen alle wieder zurück ins Leben! Und spätestens am Abend, wenn in der Stube nach dem gemeinsamen Essen Karten gespielt, gelacht und erzählt wird, werden alle zum Fan der Hütte. Wenn da nur nicht die Aussicht auf den nächsten Tag wäre… Mit dem Übergang über das Rettenbachjoch oder das Pitztaler Jöchl müssen die Wanderer einen anspruchsvollen Übergang vom Pitztal ins Ötztal überwinden. DAS Gesprächsthema am Abend! Doch mit Konzentration und guter Tritttechnik sind die Passagen bald gemeistert.
Der E5 ist auch auf der Braunschweiger Hütte zum täglichen Begleiter geworden. „Früher hatten wir 50 Prozent Ausbildungskurse im Eise und 50 Prozent E5-Wandergäste“, erinnert sich Melanie. „Heute ist das Verhältnis eher 20 zu 80.“ Das Eis wird weniger, die Laust am Alpenüberqueren größer. Melanie kann das verstehen. „Drei Länder, so viele verschiedene Eindrücke, die man mit nach Hause nimmt.“ Und als Bonbon obendrauf gibt’s den Blick von der Hüttenterrasse auf die im Sonnenuntergang leuchtenden Gletscherflanken. Ich sag ja, so eine Angeberin, diese Hütte…